Oberhausen, der 26. September 2024
Ihre Zuschrift in Sachen Veranstaltung 13.09. Friedensplatz
Sehr geehrte Frau Bienk,
sehr geehrter Herr Högerle,
sehr geehrter Herr Kortmann,
mit großer Verwunderung erhielten wir Ihr Beschwerdeschreiben in der Sie behaupten, die Partei Die Linke hätte Ihre Veranstaltung am 13.09. d.J. für ihre parteipolitischen Interessen missbraucht. Ihre Vorwürfe sind zwar auf Grund der eher mäßigen öffentlichen Berichterstattung ( https://www.waz.de/lokales/oberhausen/article407245566/tausende-schueler-auf-dem-friedensplatz-einfach-mega.html ) über Ihre Veranstaltung nachvollziehbar, entsprechen aber nicht den Tatsachen.
Umso mehr sind wir irritiert darüber, dass Sie Ihre Falschbehauptungen auf der Internetseite Ihres Dienstortes, als auch in den iSurf-Verteiler publizieren, ohne uns Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben und unsere Argumente anzuhören. Ist dies im Sinne der von Ihnen beschworenen „Vielfalt in unserer Heimat?“
Zum Sachverhalt: Sie behaupten die Partei Die Linke hätte einen Infostand aufgebaut und diesen durch hauptamtliche Mitarbeiter:innen betreut. Dies ist falsch. Es gab einen Infostand der Linksjugend. Die Vertreter:innen der Partei und der Ratsfraktion waren an dem besagten Wochenende auf einer Klausurtagung außerhalb des Stadtgebietes. Im Übrigen verfügt die Partei über keine hauptamtlichen Mitarbeiter. Wir vermuten, Ihnen ist der Unterschied zwischen Fraktion und Partei nicht bewusst, aber auch die Fraktionsmitarbeiter:innen waren nicht zugegen.
Nach vielen Gesprächen, die alle deckungsgleich waren, wurde kein Material proaktiv unter den Veranstaltungsteilnehmer:innen verteilt, sondern Sticker und Flyer am Infostand ausgelegt. Diese wurden zumeist sogar unter Begleitung und Aufsicht von Lehrkräften von Jugendlichen erbeten.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: mit Nichten distanzieren wir uns von der politischen Aktion der Linksjugend. Im Gegenteil. Sie schreiben selbst, dass es sich bei der Unterrichtsaktion um eine Aktion handele die nicht „gegen etwas sei“ – gleichzeitig veranstalteten Sie diese Aktion unter dem Motto „Vielfalt ist unsere Heimat!“, luden den CDU-Oberbürgermeister ein, der sprechen sollte und nahmen mit der Aktion im Rahmen der Woche für Demokratie teil.
Wenn eine Aktion unter dem Motto „Vielfalt ist unsere Heimat“ stattfindet, so beziehen Sie konkret Stellung gegen Ressentiments in unserer Stadt Oberhausen und das ist gut so. Es ist aber eben auch eine politische Botschaft, wie sie auf im Aufruf zur Veranstaltung benannt ist: „Von der Grundschule bis zum Berufskolleg beziehen sie damit deutlich Stellung gegen eine antidemokratische, rassistische und fremdenfeindliche Haltung.“
Wir können also festhalten, dass Ihre Aussagen im Widerspruch stehen.
Ihre Veranstaltung am 13.09. fand zudem im öffentlichen Raum statt. Insofern ist es doch zu begrüßen, dass wenn Sie so auf Neutralität abzielen, politische Jugendorganisationen zugegen sind oder warum sollten die vielen Schüler:innen nur die Sichtweise eines CDU-Oberbürgermeisters hören, der sich in der Vergangenheit öffentlich mehrfach gegen die sogenannte irreguläre Zuwanderung geäußert hat?
Wir verweisen an dieser Stelle in besonderer Weise auf den Beutelsbacher Konsens, den wir hier zitieren:
Überwältigungsverbot
Gemäß dem Überwältigungsverbot (auch: Indoktrinationsverbot) dürfen Lehrkräfte Schülern nicht ihre Meinung aufzwingen, sondern sollen Schüler in die Lage versetzen, sich mit Hilfe des Unterrichts eine eigene Meinung bilden zu können. Dies ist der Zielsetzung der politischen Bildung geschuldet, die Schüler zu mündigen Bürgern heranzubilden.
Kontroversität
Das Gebot der Kontroversität (auch: Gegensätzlichkeit) zielt ebenfalls darauf ab, den Schülern freie Meinungsbildung zu ermöglichen. Der Lehrende muss ein Thema kontrovers darstellen und diskutieren können, wenn es in der Wissenschaft oder Politik kontrovers erscheint. Seine eigene Meinung und seine politischen, wie theoretischen Standpunkte sind dabei für den Unterricht unerheblich und dürfen nicht zur Überwältigung der Schüler eingesetzt werden. Beim Kontroversitätsgebot handelt es sich allerdings nicht um ein Neutralitätsgebot für die Lehrkraft.
Schülerorientierung
Das Prinzip Schülerorientierung soll den Schüler in die Lage versetzen, die politische Situation der Gesellschaft und seine eigene Position zu analysieren und sich aktiv am politischen Prozess zu beteiligen sowie „nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene politische Lage im Sinne seiner Interessen zu beeinflussen.
Wenn Sie also im Rahmen der Woche der Demokratie – also gegen undemokratische Tendenzen agieren, sollten Sie künftig darauf achten, unter welchen Voraussetzungen nach Ihrem Ansinnen Teilnehmer:innen von öffentlichen Veranstaltungen ausgeschossen werden sollen. Das hat dann aber nichts mehr mit Vielfalt zu tun.
Wir möchten Sie hiermit auffordern, unsere Stellungnahme auf gleiche Weise zu verbreiten, wie Sie Ihre Falschbehauptungen unreflektiert veröffentlicht haben und setzen Ihnen eine Frist bis zum 01.10.2024. Andernfalls sehen wir uns gezwungen, gegen Ihr Agieren weitere Schritte zu erwägen.
Im Unterschied zu Ihrer Haltung können wir Ihnen mitteilen, dass wir auch künftig jedwede politische Aktion unterstützen, die sich für mehr Toleranz, Vielfalt und Antifaschismus in unserer Stadtgesellschaft engagiert.
So kritisieren wir seit vielen Jahren die Werbungsveranstaltungen der Bundeswehr an Schulen und nehmen dazu öffentlich Stellung. Progressive Lehrkräfte suchen mit ihren Politikkursen sogar unser linkes Zentrum auf, um Diskussionsveranstaltungen zu politischen Fragestellungen durchzuführen. Hierfür stehen wir auch Ihrer Einrichtung, trotz der Falschbehauptungen der Schulleitung, gerne weiterhin zur Verfügung.
Mit freundlichem Gruß,
Yusuf Karacelik
Fraktionsvorsitzender