Die Corona-Pandemie hat innerhalb weniger Wochen das Leben in Deutschland und der Welt grundlegend verändert. Menschen bangen um ihre Gesundheit, ihre Familien und Freunde, aber auch ihre Einkommen, Arbeitsplätze und Versorgung. Vielen dieser Sorgen begegnet die Bundesregierung durch Krisenstäbe und Ad-Hoc-Gesetze. Dieser Handlungsdruck verursacht aber auch Risiken und Leerstellen, denen wir als LINKE. im Bundestag mindestens so stark begegnen sollten, wie es während der Weltfinanzkrise 2008/09 nötig wurde: Was fehlt? Was geht zu weit? Und wer oder was wird schlicht ignoriert?
Von Doris Achelwilm MdB und gleichstellungspolitische Sprecherin, und Cornelia Möhring, MdB, frauenpolitische Sprecherin und Stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Fraktion Die LINKE. im Bundestag
Die Krise zeigt, was über Jahrzehnte gern unter den Teppich gekehrt wurde: »Systemrelevant« sind besonders viele Berufe, die überproportional von Frauen* ausgeübt werden. Pflege, Erziehung, Einzelhandel, Reinigungsdienste, um nur einige zu nennen. Genau diese Berufsgruppen sind aber schlecht bezahlt und von Personalmangel betroffen. Gesellschaftlich notwendige Arbeit muss jetzt und für die Zukunft neu bewertet werden. Applaus und Dankesbekundungen sind schön, aber sie reichen nicht. Diese Krise ist nicht nur eine pandemische, sondern auch eine der heruntergesparten öffentlichen Infrastrukturen und falschen Arbeitsteilungen und -bewertungen. Das muss politisch verstanden werden.
Es geht nicht nur um die Arbeitswelt. Zuhause drohen durch den Wegfall von Schulen und Kindergärten, durch fehlenden Freiraum und Kontakt neue Überlastungen, die Frauen* besonders treffen. Am deutlichsten dürften Alleinerziehende unter erschwerten Vereinbarkeitsproblemen zwischen Familie, Beruf und sonstigem Leben leiden. Soziale Telefondienste berichten von der massiven Zunahme des Themas »Einsamkeit«, von der Angst davor, mit der je eigenen Not unsichtbar und hilflos ausgeliefert zu sein. Wo Konflikte schwelen, sind Familien jetzt auf sich allein gestellt – nicht selten führt das dort, wo das Zusammenleben entsprechend vorbelastet ist, zur Zunahme von Gewalt. Es geht auf sehr vielen Ebenen um sehr viel mehr als um den wirtschaftlichen Erhalt von Unternehmen. Diese Krise geht an unsere Existenz und wir müssen sicherstellen, dass niemand in existenzbedrohenden Lagen alleine gelassen wird: nicht durch das Covid-19-Virus, nicht durch Obdachlosigkeit, nicht durch Einsamkeit und Isolation, nicht durch Job-, Einnahme- oder Perspektivverluste, nicht durch Gewalt in einer zu Hause festsitzenden Familie und nicht an den Rändern Europas, wo Asylsuchende einer humanitären Katastrophe ausgeliefert sind.
In jeder Krise steckt die Notwendigkeit und Chance, falsche Selbstverständlichkeiten in Frage und grundlegend neue, solidarische Weichen zu stellen. Die aktuelle zeigt unmissverständlich: Die kapitalistische Organisation »systemerhaltender« Bereiche wie dem Gesundheitswesen, der Schwarze-Null- Vorbehalt bei der Ausgestaltung unserer öffentlichen Daseinsvorsorge, die neoliberale Privatisierung von Verantwortung und »Auskommen« – all das ist einer solchen Prüfung nicht gewachsen. Nicht einmal die Wirtschaft selbst erweist sich als stabil genug, um die zugespitzte Situation abzufedern, und sozial zeigen sich die Folgen von Sparzwängen in der öffentlichen Versorgung bereits in aller Härte. Wenn wir in unabsehbarer Zeit wieder in unsere Normalität zurück können, muss diese Normalität eine andere und bessere werden. Wir brauchen Krankenhäuser, die die Bedürfnisse der Menschen statt Profite und Kostensenkungen in den Fokus nehmen. Sicherheiten für besonders Schutzbedürftige. Starke Löhne und Tarifstrukturen gerade in Bereichen, die gesellschaftlich abgewertet, aber unverkennbar bedeutsam sind. Bezahlbare Wohnungen. Die Versorgung aller mit lebensnotwendigen Mitteln und Strukturen auch in Ausnahmesituationen.
Frauen* kommt in Krisen, wie wir historisch wissen, eine besondere Bedeutung zu. Durch strukturelle Benachteiligungen sind sie von Härten und Einschnitten besonders betroffen, durch Rollenzuschreibungen und verlagerten Handlungsdruck besonders gefordert, mangels politischer Einsichten und Mehrheiten für neue, geschlechtergerechte Notwendigkeiten gehen sie häufig als Verlierer*innen aus Krisenpolitiken hervor. Dagegen, dass alles so bleibt, wie es ist, braucht es jetzt Druck und Maßnahmen. Das Spektrum ist breit und umfasst eine grundlegende Aufwertung sogenannter reproduktiver Arbeit (Care- Berufe aller Art, aber auch Aufgaben in der Familie, im privaten oder ehrenamtlichen Umfeld, zu Hause), Hilfen und Schutz angesichts zunehmender Gewalt an Frauen, die Sicherstellung reproduktiver Selbstbestimmung, Frauengesundheit, selbstverständliche Unterstützung für Familien, Alleinerziehende und sozial Benachteiligte, Augenhöhe und Rechte für besonders schutzbedürftige Gruppen wie geflüchtete oder wohnungslose Frauen und Prostituierte. Einige Ausführungen zur Beleuchtung der Bedarfe:
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