Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,
die Strompreise sind in den vergangenen Jahren rapide gestiegen. Für Millionen von Privathaushalten mit niedrigen Einkommen ist das eine enorme Belastung. Nach Angaben der Bundesnetzagentur wurde im Jahr 2017 rund 344.000 Haushalten der Strom zeitweise abgeklemmt. Diese enorme Anzahl von Energiesperren in der Bundesrepublik ist eine stille soziale Katastrophe, besonders in den kalten und dunklen Wintermonaten.
Für viele Bürgerinnen und Bürger kann bei den hohen Preisen von einer Versorgungsicherheit mit Strom keine Rede mehr sein. Schwierigkeiten, sich und ggf. andere Haushaltsmitglieder mit grundlegenden Basisgütern wie Strom zu versorgen, führen zu Stress, Scham und Rückzug vom gesellschaftlichen Leben. Während das Mietrecht hohe Hürden bei Wohnungsräumungen vorsieht, sind Stromsperren rechtlich völlig unterreguliert und können ohne Gerichtsbeschluss bereits vier Wochen nach der Mahnung vollzogen werden. Die tatsächliche Stromsperre ist allerdings nur die Spitze des Eisbergs der Energiearmut in diesem Land: Über 4,8 Millionen Sperr-Androhungen wurden im bereits Jahr 2017 von den Stromversorgern verschickt. Die jetzige Krise verschärft das Problem zusehends.
Von der Bundesregierung gibt es bisher zu diesem Thema nur Energiespartipps. Für die Fraktion DIE LINKE.LISTE ist die Versorgung mit Strom eine Grundvoraussetzung für ein menschenwürdiges Wohnen und die Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger am gesellschaftlichen Leben: Sie ist daher ein soziales Recht. Auch der Oberhausener rat sollte sich sich deshalb dafür einsetzen, dass Stromsperren durch unseren Energieversorger aufgrund von Zahlungsunfähigkeit von Verbraucherinnen und Verbrauchern unverzüglich ausgesetzt werden. Außerdem sollte unverzüglich über eine Änderung der Stromgrundversorgungsverordnung eine gesetzliche Mitteilungspflicht der Energiedienstleister bei Zahlungsunfähigkeit privater Haushalte an die Sozialbehörden eingeführt werden, um den Betroffenen Hilfe anzubieten, Zahlungsfähigkeit wieder herzustellen und Überschuldung zu vermeiden. Doch das liegt heute hier leider nicht in unserer Hand.
Mit einem Verbot von Stromsperren ist das Problem der Energiearmut nicht unmittelbar beseitigt, denn schließlich muss der verbrauchte Strom trotzdem bezahlt werden. Aber ein existentielles soziales Recht kann auf diese Weise garantiert werden. Die Praxis zeigt, dass ein Haushalt ohne Strom sogar eine Bedrohung für Leib und Leben ist: Immer wieder kommt es vor, dass Menschen bei Hausbränden sterben, weil sie Kerzen benutzen, um nicht im Dunkeln zu sitzen. Ein reiches Land wie die Bundesrepublik, in welchem Fernsehgeräte zum Grundbedarf gerechnet werden und so vor Pfändung geschützt sind, sollte auf soziale Ausgrenzung durch Stromsperren verzichten können.
Das Problem der Energiearmut wird im Wesentlichen durch die stagnierenden oder sogar sinkenden Lohneinkommen verursacht – die Durchsetzung des Niedriglohnsektors und die Renten-„Reformen“ spielen in diesem Kontext eine wichtige Rolle. Ohne eine gerechtere Verteilung von Einkommen und besseren sozialen Sicherungssystemen ist der Energiearmut nicht beizukommen. Gleichzeitig aber muss der Preistreiberei bei den Strompreisen ein Ende gesetzt werden. Die Fraktion DIE LINKE fordert daher u.a. eine Absenkung der Stromsteuer und ein Sockel-Tarifmodell für Strompreise, das den Grundpreis abschafft und stattdessen entgeltfreie Grundkontingente einführt. Auf diesem Wege werden Haushalte mit geringem oder durchschnittlichem Verbrauch entlastet und Vielverbraucher belastet. Zudem müssen endlich die üppigen Industrieprivilegien bei der EEG-Umlage und den Netzentgelten reduziert werden, die die restlichen Stromkunden bezahlen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
in Anbetracht dieser Energiekrise bitten wir sie daher einhellig darum unserem Antrag zuzustimmen und unsere Aufsichtsratsmitglieder bei der EVO dazu aufzufordern sich gegen Energiesperren zu wenden.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.