Wir dokumentieren die Rede unseres Stadtverordneten Martin Goeke: Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren, einhundert Jahre nach dem Erkämpfen des Wahlrechts haben Frauen immer noch nicht die gleichen Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben wie Männer. Sie erhalten pro Arbeitsstunde durchschnittlich 21 Prozent weniger Geld als Männer und arbeiten fast doppelt so häufig im Niedriglohnsektor. In den Vorständen deutsche Unternehmen gibt es mehr Vorstandsmitglieder, die Thomas oder Michael heißen, als alle Frauen zusammen. Auch bei der Stadtverwaltung in Oberhausen fehlen nach wie vor Frauen in Führungspositionen. Im europäischen Vergleich gehört Deutschland damit zu den Schlusslichtern bei der Gleichstellung der Geschlechter. Obwohl Frauen Männer in den letzten Jahrzehnten bei den Bildungsabschlüssen ein- und überholt haben, sehen sie sich im Berufs- und Familienleben immer noch mit struktureller Benachteiligung und einer traditionellen Geschlechterordnung konfrontiert. Gleichstellungspolitik ist daher vor allem eine Frage der Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit. Lassen Sie mich daher einige Anmerkungen zum Jahresbericht der Gleichstellungsstelle machen. Zunächst ist lobend hervorzuheben, dass der Gleichstellungsausschuss seit 2017 ein Jahresbudget von 15.000 Euro zu verteilen hat und so in den letzten zwei Jahren viele fortschrittliche Projekte angestoßen werden konnten. Hinzu kommen noch der Zuschuss von 77.700 Euro für die Frauenberatungsstelle, der seit 2018 bei der Gleichstellungsstelle angesiedelt ist, sowie der Verhütungsmittelfonds von pro familia in Höhe von 20.000 Euro. Leider (!) wichtige Aufgaben in unserer Gesellschaft, leider insgesamt auch nicht der Betrag, der für diese Aufgaben angemessen wäre und letztlich sind leider auch die personellen Ressourcen, die für diese Aufgaben bereit stehen, nur sehr knapp bemessen. Aber immerhin ein Anfang im Vergleich zu früheren Jahren. Die Gleichstellungsstelle gibt ihren Bericht als Maßnahmenkatalog heraus. Die Einzelmaßnahmen werden mit einem Ampelsystem bewertet. Zwar gibt der Bericht offen zu, dass eine grüne Ampel nicht damit gleichzusetzen ist, dass alle Ziele der Gleichstellung erreicht sind, sondern nur, dass die Maßnahme läuft, trotzdem führt dies in einigen Fällen schon zur Verwunderung, warum Maßnahmen, die sich noch in einem frühen Stadium befinden, bereits auf grün gesetzt wurden. Gute Beispiele sind die „Teleheimarbeit“ (S. 26) oder das „Teilzeitseminar“ (S.28.) Die Ampel bei der Teleheimarbeit steht bereits auf grün. Dabei hat es erst eine Pilotphase gegeben und die tatsächliche Teleheimarbeit steckt noch in den Kinderschuhen. Das geht auch aus der „Ziel-Erklärung“ des Berichts hervor. Ein Ampelstand von Gelb wäre hier sicher angemessener. Bei Teilzeitseminaren, so denke ich, kann man zu Recht sagen, dass die freiwillige Teilzeitarbeit so extrem weiblich ist, dass man sich auf jeden Fall fragen muss, welche weiteren Anreize man schaffen kann, um auch Männern Mut zu machen, ebenfalls in Teilzeit zu gehen. So lange nur Frauen Teilzeit in unterschiedlichen Lebensphasen freiwillig in Anspruch nehmen, werden sich auch andere gleichstellungsrelevante Themen nicht auflösen lassen. Daher ist zwar nachvollziehbar, dass die Ampel auf grün ist, weil die Teilzeitseminare stattfinden, aber man muss sich trotzdem fragen, welche weitergehenden Angebote von Seiten der Gleichstellungsstelle und der Stadtverwaltung zu dem Thema noch schaffen können. Ein richtiger Weg ist es auf jeden Fall, dass es Seminarangebote wie „Vereinbarkeit von Beruf und Pflege“ für alle Beschäftigte gibt. (S.19). Irritierend ist da allerdings, dass es ein Seminar „Perspektiven für mich! – Seminar zur Teilzeitbeschäftigung“ nur für Frauen gibt. Vielleicht macht gerade so ein Seminar extra für Männer Sinn! Im Bericht wird ein Seminar für alle, sogar explizit ausgewiesen, wozu dann noch eines nur für Frauen, wenn die Teilzeit eh weiblich ist. Hier gerät der Gleichstellungsgedanke dann doch arg ins Wanken. Die Einrichtung eines Seminars „Vereinbarkeit für Väter“ (S. 21), finde ich gut und wichtig. Rollen können nur von beiden Seiten aufgebrochen werden. Da hier der Umsetzungsstand noch auf gelb steht, zeigt auf, dass es noch deutlich Luft nach oben gibt, was sowohl den Aspekt der Gleichstellung anbelangt, als auch an den angebotenen Maßnahmen zu diesem Themenkomplex. Letztlich noch zu einem „unschönen“ Punkt: Die Maßnahmen „no.name“ und „SchLAu“ (S. 71-72) sind Maßnahmen, die von gelb auf rot zu kippen drohen! Beide Maßnahmen sind wichtige Anlaufstellen zur Aufklärung für Betroffene und Interessierte zum Thema LSBT*. Wenn diese Projekte nicht mehr finanziert werden können, haben wir in unserer Stadt eine riesige Lücke. Im Bericht heißt es und hier zitiere ich: „Sollte es hier keine positiven Entwicklungen geben, ist ein Wegfall des Angebotes unumgänglich.“ Wenn die evangelische Kirche diese Arbeit verantwortungsvoll nicht weiter umsetzen kann, weil sie trotz starker Nachfrage weit unterfinanziert ist, dann muss sich die Stadt dem Thema annehmen und eigenverantwortlich mit mindestens zwei qualifizierten Vollzeitkräften mit psychologischer Ausbildung diese wichtige Aufgabe übernehmen. Wir würden uns freuen, wenn sich diese Sorgen im nächsten Jahr im Bericht nicht mehr wiederfinden werden. Abschließend müssen wir uns vielleicht doch vor Augen halten, dass auch nach 35 Jahren Gleichstellungsstelle in Oberhausen davon auszugehen ist, dass die die Herstellung von Gleichstellung und Gleichwertigkeit eine Jahrhundertaufgabe bleibt. Vielen Dank!
Ein Beitrag von Martin
02.04.2019